Du warst fünf Monate im Osten der USA und hast dort ein Auslandssemester absolviert. Wie ist es Dir ergangen?
Die ersten 4 Wochen ging es zunächst darum, den Kulturschock zu bewältigen und zu erkennen, dass ich plötzlich 4 Monate alleine klarkommen sollte, ganz ohne meinen Freund, meine Freunde, Familie und Bekannte, die alle über mich Bescheid wissen. Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser, aber auch eine Riesenchance: Wann hat man schon mal die Möglichkeit, ein komplett neues Leben aufzubauen, in dem man sich völlig neu orientieren und entfalten darf?
Wunderbare Freundschaften sind entstanden, mein Englisch hat sich enorm verbessert, ich habe eine Menge kulturelle Unterschiede kennengelernt, und auch mich selbst besser kennengelernt. Auch habe ich meine Leidenschaft fürs Tennisspielen entdeckt, und ich genoss es, zu der kleinen, grün-weißen Bison-Community zu gehören.
Was war Dein schönster Moment?
Oje, das ist eine schwere Frage! Da gab es unzählige.. Nach 1 Monat nur auf dem Campus war es unglaublich schön, in Pittsburgh unterwegs zu sein, quasi Mini-New-York-Luft schnuppern. Schön war aber auch in Harrisburg bei guten Freunden meiner Familie wieder einmal deutsches Essen zu genießen und quasi eine Ersatzfamilie zu haben. In meinem Lieblingskurs wollte meine Dozentin, dass ich als Einzige meine sehr gute Hausarbeit über die amerikanischen und deutschen Bildungsunterschiede vor der ganzen Klasse vorlesen sollte, was mich unheimlich geehrt und gefreut hat.
Ohne Zweifel war jedoch New York das absolute Highlight für mich, dort habe ich mich so unglaublich frei und glücklich gefühlt, hoch oben auf dem Rockefeller Center, nachts auf dem Times Square, und all den anderen Orten, die man aus den Filmen kennt. Und so viele wunderbare Gespräche mit wildfremden Menschen hatte ich auch noch nie zuvor gehabt!
Was war genauso, wie Du es Dir vorgestellt hast?
Ich habe schon erwartet, dass das Englisch sehr bubblegum-mäßig gesprochen wird. Nach einer Weile kam ich damit allerdings besser klar. Mit dem nährstoffarmen Essen habe ich auch gerechnet. Wochenlang fast nur von Burgern, Wraps, Pommes, Pizza und Cola ernähren, ganz ehrlich: Wer will das nicht mal ausprobieren? Aber irgendwann vermisst man doch wieder das deutsche Brot, gutes Obst und Gemüse.
Was hat Dich an Land und Leute überrascht?
Mit den wenigsten Dingen habe ich gerechnet, ich wurde fast täglich überrascht: Ob typisch amerikanische Mentalitäten, oder Student Activities (Talentshow, Weihnachtsschmuck basteln, in den Zoo fahren, shoppen fahren, Musical anschauen, usw.) und mindestens ein großes Sportereignis pro Woche auf dem Campus (Volleyball, Basketball, Football). Es wurde nie langweilig.
Durch die persönliche Beziehung zu den Professoren hat man sich auch außerhalb des Kursraums mit ihnen verquatscht, und wir wurden des Öfteren von ihnen zu Dinners bei ihnen zu Hause eingeladen, was immer erfrischend freundschaftlich war.
Womit ich mich gar nicht anfreunden konnte war das freundliche, aber sehr oberflächliche ‚Hi, how are you‘ oder ‚Hey, how you doing‘, ohne überhaupt eine ernsthafte Antwort zu erwarten.
Welche Begegnung war für Dich besonders wichtig?
Von Anfang an waren die anderen beiden Exchange Students aus China und Marokko mir ans Herz gewachsen, mit denen ich viele tolle Erinnerungen habe. Durch sie habe ich noch viele weitere Dozenten und Einheimische kennengelernt, mit denen wir private Ausflüge gemacht haben und unvergessliche Momente erlebten. Die Abenteuer mit meinem amerikanischen Kumpel, wie zum Beispiel die verschiedensten Fastfood-Places mal auszuprobieren, oder über amerikanische und deutsche Macken zu lachen, war jedes Mal wunderbar. Drei Mal habe ich auch meine Ersatzfamilie getroffen, die mir immer einen sicheren Hafen zum ‚Nach Hause kommen‘ ermöglicht haben!
Was wirst Du am meisten vermissen?
Ich vermisse es jetzt schon, 24/7 auf Englisch zu denken und mich auszudrücken – mit der Zeit ging das so flott, sodass ich wie ein Wasserfall gebrabbelt habe! Auch die Tatsache, dass ich etwas ‚Besonderes‘ war, also die Austauschstudentin aus Europa bzw. Deutschland, und kulturelle Unterschiede zu verstehen und diskutieren. Meine Lieblingsrestaurants, Domino’s und Chipotle, werde ich auch sehr vermissen, aber am meisten vermisse ich momentan meine Lieblingsmenschen, mit denen ich so viele einzigartige Momente erlebt habe und bei denen ich jedes Mal völlig vergaß, dass ich überhaupt eine Hörbehinderung hatte!
Was bedeutet dieses Auslandstudium für Dein weiteres Leben?
Vorrangig war es für mein Studium, also mein Fach Englisch wichtig. Ich habe aber auch viele kulturelle und sprachliche Erfahrungen gesammelt, sodass ich später einmal als Sonderpädagogin das Fach gut vermitteln kann. Weiterhin habe ich in der Zeit als „Amerikanerin“ so typisch deutsche Werte mehr zu schätzen gelernt, wie zum Beispiel Umweltbewusstsein oder dass man auf gesunde Ernährung achtet. Vorher war das für mich selbstverständlich.
Persönlich würde ich sagen, dass mich diese Zeit unheimlich geprägt hat im Bezug auf mein Selbstbewusstsein – Ich habe trotz meiner Hörschädigung und ohne fremde Hilfe geschafft, alles zu meistern, egal wie unmöglich es zunächst erschien, egal wie viel Angst ich zunächst hatte. Fremde Menschen ansprechen, mit ihnen Smalltalk halten, mich im Unterricht zu melden, ein Praktikum in einer Grundschule absolvieren, und das in einer anderen Sprache! Besonders stolz bin ich darauf, das erste Mal praktische Erfahrungen als Deutschlehrerin gesammelt zu haben, und vor 7 hörenden, Englisch sprechenden Studenten einen guten Eindruck zu machen – das war eine große Herausforderung!
Was bedeuten die Erfahrungen für Deine ‚Hörreise‘ und Deine Entwicklung beim Hören?
Von vornherein denke ich, dass meine Behinderung mich nicht definiert. Daher möchte ich wie jeder andere Normalhörende am Leben teilnehmen können, auch wenn es nun in einem anderen Land, mit einer anderen Sprache oder mit unbekannten Menschen ist. Natürlich kann ich als mittel- bis hochgradig Schwerhörige wie jeder Andere ein Auslandssemester machen! Dank meines Hörgeräts und des CIs kann ich weitestgehend gut hören. Zwar kann ich lange nicht alles verstehen, aber davon lasse ich mich nicht einkriegen. Die einzigen Grenzen sind die, die man sich selbst in den Kopf setzt!
Wie geht es nun weiter?
Seit 2 Wochen bin ich am Jobben, um die Zeit zu überbrücken, bis mein Studium im März weitergeht, und um ein wenig Geld zu verdienen, da so ein Auslandssemester echt viel Geld kostet, allerdings war es ohne Zweifel jeden Cent wert. Ich habe noch Kontakt zu meinen engsten Freunden, und bin dankbar für diese wundervolle Zeit, aber dennoch glücklich, wieder Zeit mit meinem Freund zu verbringen, sowie meine Freunde und Familie regelmäßig zu sehen!
Vielen Dank, dass Du in dieser Zeit Deine Erlebnisse mit uns geteilt hast!
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