Links mittel- bis hochgradig schwerhörig, rechts an Taubheit grenzend, ein Semester lang im englischsprachigen Ausland und ganz auf sich allein gestellt – kann das überhaupt gut gehen?
Ich habe das Gefühl, dass es heutzutage fast schon obligatorisch ist, nach dem Abi oder im Studium ins Ausland zu gehen. Viele meiner Freunde, die in Australien, Kanada oder Neuseeland waren, wurden durch ihre Erlebnisse selbstbewusster, weltoffener und es hat sie das Fernweh gepackt. Und ich? Ich war noch nie länger als 2 Wochen im Ausland, bin recht schüchtern in ungewohnter Umgebung und traute mich nie, kopfüber in ein ungewisses Abenteuer zu springen, erst recht nicht alleine.
Bis jetzt! Es reizt mich, herauszufinden, wie es ist, aus meiner Komfortzone rausgehen zu müssen, insbesondere mit meinen zwei „Schlappohren“! Daheim wissen meine Freunde, meine Familie, meine Professoren an der Hochschule, einfach alle über das CI Bescheid. Die meisten nehmen Rücksicht darauf, dass ich zum Beispiel das Mundbild brauche und Störgeräusche vermieden werden sollten. Hier dagegen stehe ich jeden Tag vor Herausforderungen! Was mache ich, wenn alle plötzlich nichts anderes als Englisch sprechen? Und dazu noch ganz schön schnell? Und was soll ich tun, wenn ich zum vierten Mal etwas nicht verstanden habe? Wie reagiere ich, wenn ich in meinen Seminaren auf einmal nicht mehr mitkomme und dann etwas sagen soll? Wie verhalte ich mich in der lauten Mensa? Oder im Auto… oder wenn es dunkel ist… dank Stromausfall?
Meine Antwort darauf? What doesn’t break you only makes you stronger! Steh auf, konfrontiere die Situation und sag was du brauchst, selbst wenn es das 48.923. Mal ist! „Hey, ich bin schwerhörig, kannst du mir einen Gefallen tun und ein wenig langsamer / lauter / deutlicher sprechen?“. „Du, ich habe es leider immer noch nicht verstanden, bitte sag es noch einmal!“ „Bis dahin bin ich mitgekommen, dann habe ich den Faden verloren. Was soll ich tun? „Wenn mein Gegenüber Bescheid weiß, warum genau die Kommunikation nicht mehr läuft, dann zeigt er noch eher Verständnis dafür und vor allem: Hält mich nicht für bescheuert – das ist mir besonders wichtig. Aber natürlich lässt es sich auch nicht vermeiden, mal zurückstecken zu müssen. In der Mensa ist es überall laut und es ist superschwer, den Gesprächen zu folgen. Im Auto sind Störgeräusche und das Mundbild ist weg, im Dunkeln muss ich mich komplett auf mein Hörgerät und mein CI verlassen. Habe ich noch die nötige Kraft und Konzentration, gebe ich 120% um aus den Wortfetzen sinnvolle Sätze zusammenzupuzzeln und wieder nachzufragen, aber manchmal muss ich mir auch einfach mal eingestehen, dass ich jetzt eine Hörpause brauche und nicht immer alles mitkriegen muss.
Eine andere Möglichkeit ist, einfach immer „Ja“ zu sagen, zu lächeln und zu hoffen, dass mein Gegenüber mich dann in Frieden lässt. Das habe ich früher gern gemacht, mittlerweile merke ich, dass ich dadurch nur enttäuschter und wütender werde, weil ich eben NICHT diejenige sein möchte, der man lieber aus dem Weg geht. Ich WILL mittendrin und dabei sein! Ich WILL mit Fremden Smalltalk halten, mit Freunden und Bekannten lachen und lauter wunderbare, tiefgehende Gespräche führen!
Wie soll das funktionieren, wenn ich mich zu sehr von dem unangenehmen Gefühl einschüchtern lasse, dass ich schon wieder den Faden verloren habe? Eine Hörschädigung zu haben ist definitiv erschöpfend, mühsam und deprimierend, aber was du daraus machst, ist eine ganz andere Geschichte! 🙂
Comments are closed.